Gestalterischer Ungehorsam

Jede rechtsstaatliche Demokratie, die ihrer selbst sicher ist, betrachtet den zivilen Ungehorsam als normalisierten, weil notwendigen Bestandteil ihrer politischen Kultur. Denn der Rechtsstaat baut darauf, dass Bürgern*innen die Rechtsordnung nicht aus Furcht vor Strafe, sondern aus freien Stücken anerkennen.

Genau wie die Rechtsordnung viele Mechanismen der Selbstkorrektur beinhaltet, was dafürspricht, dass der Rechtsstaat mit einem hohen Revisionsbedarf rechnet, sind auch Korrekturmechanismen in Form von beispielsweise Iterationsschleifen ein fester Bestandteil im Design. Also ist auch der Designprozess so aufgebaut, dass Mängel und Erkenntnisgewinne produktiv verarbeitet werden können.

Mit dem Begriff des gestalterischen Ungehorsams wird der Versuch unternommen, einen radikalen Korrekturmechanismus zu entwerfen. Dieser hat die Möglichkeit, außerhalb der Gestaltungs-, Gesellschafts- oder Rechtsnorm zu agieren. In Anlehnung an Henry David Thoreau ist anzumerken, dass Gestalter*innen etwas tun müssen, aber nicht alles. Und da sie schon nicht alles tun können, sollten sie nicht ausgerechnet etwas Unrechtes tun. Hiermit möchte ich Gestalter*innen ermutigen, wachsam auf Fehler und Unrecht hinzuweisen. Ist ein Designprozess, -auftrag oder -praxis so beschaffen, dass es dich braucht, um einem anderen Unrecht zuzufügen, so sage ich: Brich damit!

Im Rahmen der Arbeit wurden Bearbeitungsstrategien und Prinzipien für den Umgang mit Platten aus recyceltem Kunststoff entwickelt. Darauf basierend entstanden Modul 01, ein Steckmöbel-System und Modul 02, ein niedriger, stapelbarer Hocker, der die Eigenschaften von HDPE in allen Verbindungen nutzt. Außerdem entstand ein nieder komplexes Verfahren, um mit Maschinen, wie sie in der Precious Plastics-Bewegung üblich sind, Rohre herstellen zu können. Alle theoretischen und praktischen Errungenschaften lassen sich in einem ebenfalls gestalteten Tisch wiederfinden.

Text: Thorsten Müller