stricheln


SS 2023

Studierende

Meret Sophie Preiß


Projektbetreuung

Prof. Katharina Hinsberg


Studiengänge

Freie Kunst


Richtung

Konzeptuelle Malerei


Projekt Art

Bachelor

Meret Sophie Preiß: stricheln, Bachelor Freie Kunst, 2023, Tusche auf 224 g Papier, 84,1 x 59,4 cm, Foto: Thorsten Müller

Rhythmische Schraffuren aus Tusche werden in intuitiven, sich wiederholenden Bewegungen zu Papier gebracht. Auf weißen Blättern verdichten sich die einzelnen Striche über Wochen zu den Bildträger ausfüllenden Zeichnungen. Innerhalb einer Routine, die sich wie Essen, Schlafen und Atmen in meinen Alltag einreiht, zeichne ich jeden Abend für mehrere Stunden an den Papieren. So wird das repetitive Stricheln zur Gewohnheit. Der Tuschestift dient als Instrument zur Dokumentation der Bewegungen, die ich auf dem Papier hinterlasse. In rhythmischen Abständen streiche ich über das Papier. Die schwarze Linie zeigt mir, an welchen Stellen ich schon vorbeigekommen bin, an welche Stellen ich mich noch wagen kann.

Ein weiteres Blatt, das der Zeichnung unterliegt, fängt die Schraffuren auf, die das Papier überschreiten. Ich benutze für alle Zeichnungen eines bestimmten Formats ein einziges Unterpapier. Mit der Überschreitung der Ränder des Formats wird ein schmaler Spalt sichtbar, der sich zwischen Unterblatt und Trägerpapier abbildet. Durch das Verrücken und Neu-Anlegen des oberen Papiers, ist die Sichtbarmachung der Ränder nur von kurzer Dauer. Sobald sich das Blatt verschiebt, bleiben nur noch filigrane Schraffuren übrig, die das Unterblatt regellos bedecken. Sie muten an wie feine Wimpern, die sich auf das Blatt legen. Die Entscheidung über das Ende der Zeichnung, die eigentlich durch die Begrenzung des Formats fällt, verlagert sich so auf einen zweiten Träger.

Die Linie gewinnt in meinen Zeichnungen einen neuen Stellenwert, denn sie dient nicht zum Darstellen einer anderen Sache, sondern steht für sich selbst; dennoch spielt das Ergebnis, die letztlich ausgestellte Zeichnung, keine vordergründige Rolle. Im Fokus steht primär das Zeichnen an sich. Die Papierarbeiten werden damit zum Zeugnis des langwierigen Zeichenprozesses. Dieser findet über Wochen und Monate statt. Ich beginne links oben, während mein Blatt im Hochformat auf meinem Werktisch liegt. Die linke obere Ecke bedeutet für mich immer den Startpunkt. Danach lasse ich mich von der Vertikalität der Linien an der langen Kante des Papiers hinunter leiten. Diese abendliche Gewohnheit des Zeichnens gleicht einer Art Tagebucheintrag. Die Zeichnung wird damit zu einer Art Schriftstück ohne Worte. Sie hält fest, wie erschöpft oder energiegeladen ich bin. Infolgedessen werden unterschiedlich große Bereiche fertiggestellt, die sich während des Prozesses zu einer homogenen Fläche aus Strichen verbinden. Selbst ich kann am Ende nur noch erahnen, wie das Bild über Wochen gewachsen ist.

Text: Meret Sophie Preiß
Redaktion: Rita Eschle